Erfinder des gläsernen Korns: Qualysense Co-Founder Francesco Dell’Endice.

Qualysense

Digitales Körner-Picken

Säcke voller Getreide stehen in einer Ecke der Produktionsräume im zürcherischen Glattbrugg,  knallrote, kastenförmigen Maschinen auf der anderen Seite. Dazwischen ein mannshohes Gerät, bei dem sich hinter Glas eine Trommel mit ohrenbetäubendem Getöse dreht. Reiskörner wirbeln durch die Luft. «Das ist», sagt Francesco Dell’Endice «unser neuster QSorter Horizon». QSorter? Horizon?

Der Laie versteht nur Bahnhof. Bei dieser Frage kommt Francesco Dell’Endice in Fahrt. Der Mann spricht englisch, druckreif, ist einer, der sich bei diesem Thema mit Armen und Augen ins Feuer redet. «Das ist die weltweit fortschrittlichste Einzelsortierungs-Technologie für Mais- und Reiskörner oder auch Kaffeebohnen sowie Samen aller Art», sagt er, «alles von uns selbst entwickelt und patentiert.» Der Name der Firma, Qualysense, ist Programm – um das geht es hier: um Qualität und Sensoren.

 

Die ratternde Maschine saugt tausende und abertausende von Reiskörnern mittels Vakuum an. Sensoren messen nun, was auch immer der Mensch wissen will: unter anderem Korngrössen, Protein-, Fett- oder Wassergehalt. Und der Computer erstellt von jedem einzelnen Korn ein individuelles Profil: das gläserne Reiskorn. Ein vollkommen neues System das, davon ist der Mitgründer von Qualysense überzeugt, in Zukunft die Arbeit von Food Produzenten wie etwa Kaffeeherstellern oder Getreideverarbeitern, aber auch die der Agrarindustrie erleichtern und verbessern wird.

 

Hinter den Robotern, die pro Stunde eine Tonne Getreide, Bohnen oder Samen sortieren, steht eine hochkomplexe künstliche Intelligenz, die Kombination von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie Biochemie, Elektronik, Robotik und Algorithmen. Die Technologie ist das Ergebnis des gebündelten Knowhows des Unternehmersohns aus dem italienischen Bari, der nach dem Studium als Luftfahrtingenieur in Mailand und Toulouse und in Australien an Infrarot-Technologien arbeitete. 2010 promovierte er an der Universität Zürich in Strahlenkunde (Spektroskopie) und spezialisierte sich auf biochemische Fernerkundigungen und Analysen. «Ich hatte», sagt er «plötzlich eine bahnbrechende Technologie in der Hand, ich musste sie nur noch vom Himmel auf die Erde bringen».

 

Das ist ihm zusammen mit den Co-Gründern Olga Peters und Paolo D’Alcini gelungen. 2014, nach vier Jahren Entwicklungsarbeit, konnten die QSorter der ersten Generation an die Kunden ausgeliefert werden. Jetzt strahlt der Mann, er ist nicht nur Wissenschaftler und Entwickler, der Italiener hat auch eine Mission: er will nichts weiter als die Welt besser machen. Man müsse sich vorstellen, was ihre Erfindung bedeute, meint er «wir können beispielsweise den Glutengehalt von einzelnen Getreidesamen messen – und da draussen in der Welt gibt es 700 Millionen Menschen mit einer Glutenallergie.» Sie können aber noch viel mehr: Eiweissgehalt, Form, Grösse oder Farbe messen, sie können sehen, ob das einzelne Korn etwa von einem Pilz oder Fäulnis befallen ist.

Digitales Körner-Picken: Video-Portrait

QSorter der ersten Generation: Die aussortierten Samen, Bohnen oder Getreide fallen in die unten aufgehängten Behälter.

QSorter der zweiten Generation: Kann bis zu drei Tonnen Mais pro Stunde sortieren.

Die guten Körner oder Samen von den schlechten trennen – das kann ganze Ladungen von Getreide retten und damit der Verschwendung von Lebensmitteln vorbeugen. «Wir können diese Körner identifizieren und den Rest der Ladung retten», sagt Dell’Endice. So soll den Unternehmen geholfen werden nachhaltiger produzieren zu können. Mehr noch, «grosse Agrarunternehmen werden dank unserer Technologien ein besseres Saatgut herstellen können, es wird gesündere Sprösslinge geben,  und besseren Kaffee, das hat Auswirkungen auf die Bevölkerung». Einige Unternehmen nutzen bereits die Sensortechnologie aus Glattbrugg, so haben die zum Pepsi-Konzern gehörende Quaker Oats Company oder auch General Mills dank dem QSorter bereits glutenfreie Frühstücksflocken auf den Markt gebracht.

 

Seit 2016 brummt der Laden, verkauft wird nach Nordamerika, Mitteleuropa und Australien. Das Interesse am QSorter überrascht Dell’Endice nicht wirklich, «unsere Technologie ist konkurrenzlos». Aus dem einstigen Dreierteam, das sich die ersten sechs Monate mit Erspartem finanziell knapp über Wasser hielt, ist inzwischen ein 35köpfiges Team entstanden mit Mitarbeitern aus 20 Ländern, die 16 verschiedene Sprachen sprechen. Dass der international ausgebildete Dell’Endice die Entwicklung seines Business in Zürich angesiedelt hat, ist ebenfalls kein Zufall, «wir agieren global und hier finden wir genügend  wissenschaftlich gut ausgebildete talentierte Mitarbeiter aus aller Welt», sagt er, auch wenn er sich wünscht, dass Startups in Steuerfragen stärkere Entlastung und Support erfahren würden.

 

Das digitale Spektrometer auf dem Bildschirm gibt Auskunft über die Zusammensetzung jedes einzelnen Reiskorns.

Während in Glattbrugg die bereits verkauften roten QSorter der ersten Generation gebaut und in Kisten verpackt werden, beginnt der Verkauf des Horizon erst jetzt so richtig, 2018 werden die ersten Modelle ausgeliefert. Eine Tonne Kaffeebohnen und etwa drei Tonnen Maiskörner kann er in der Stunde sortieren und damit grosse Quantitäten erreichen. Gründer Dell’Endice sieht die Zukunft des Unternehmens glasklar vor sich «Qualysense «wird ein globales Label für Qualität und Sicherheit in der Nahrungsmittelindustrie sein».

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