Power Couple: Emanuel (34) und Daniela (35) Steiner, Inhaber Felfel.
Felfel
Digitaler Foodtech anstatt Kantine
Hinter seiner Glastür säuberlich aufgereiht: Boeuf Stroganov, Quinoasalat, Curry mit Tofu, Suppen, Müesli, Joghurt und Säfte, sogar Desserts und Süssigkeiten. «Das ist das Herz unseres Unternehmens, der Felfel», sagt Manuel Steiner nicht ohne Stolz, «der erste Food+Tech Kühlschrank der Schweiz». Die Antwort des digitalen Zeitalters auf das Bedürfnis nach gesundem Essen auch am Arbeitsplatz. Der Felfel ist eine moderne Kantine.
Erfunden hat ihn Emanuel Steiner. Der 34 Jährige hat das Unternehmen 2013 gegründet. Seit zwei Jahren führt er es zusammen mit Ehefrau Daniela, 35. Täglich wird der Felfel mit frischen Gerichten gefüllt, er funktioniert digital. Möglich macht das eine ausgeklügelte Technologie und ein hochspezialisiertes IT-Programm. Die Idee dahinter: auch die Mitarbeiter von Betrieben, die keine eigene Kantine haben, sollen in den Genuss von frisch zubereitetem, gesundem und bezahlbarem Essen kommen. Dafür bezahlen die Unternehmen für das Aufstellen des Felfel-Kühlschranks eine monatliche Pauschale. Eine clevere Lösung, wie Daniela Steiner meint, «wir müssen nicht aus Kostengründen an der Qualität der Gerichte sparen».
Warum heisst ein Kühlschrank Felfel? Emanuel Steiner lacht, diese Frage musste er schon oft beantworten. «Felfel heisst Pfeffer auf persisch», sagt er, der Name sei eine Hommage an seine persische Grossmutter deren Küche er so geliebt hat. Und weil Pfeffer und Salz ein unzertrennbares Duo sind, hat auch das IT-Programm bei Felfel einen persischen Namen erhalten: Namak – Salz. Zusammen bilden sie die Säulen des Geschäftsmodelles der jungen Firma. Felfel ist der Kühlschrank vor Ort, digital gesteuert wird er aber von einem daneben montierten Screen. Über den kann der Mitarbeiter mit Hilfe eines Badges die Tür öffnen, das ausgesuchte Essen herausnehmen, einscannen und schon ist alles bei Felfel auf der Rechnung und der Betrag wird von der Kreditkarte abgezogen.
Mit Hilfe eines Badges werden die Kunden registriert und können den Felfel öffnen.
Appetitlich hergerichtet: Das Foodscoutteam arbeitet mit Frischprodukten vom Markt.
Im obersten Stockwerk eines Bürogebäudes im Zürcher Binz-Quartier: lange, roh gebürstete Holztische, gemütliche Ecken im Retro-Style, helle Schreibtische und Stühle, überall Pflanzen, die als lebende Raumtrenner dienen. Licht und ganz, ganz viel Platz. In der Mitte ein mannshoher Kühlschrank, verpackt in einen trendig lasierten Holzkasten.
Immer auf der Suche nach neuen Gerichten: Das Felfel Foodscoutteam bei der Arbeit.
Alles auf einen Blick: In der Felfel-Zentrale zeigen Flatscreens in Echtzeit an, was in den Kühlschränken konsumiert wird.
Ausgeklügelte Logistik: der Felfel Lastwagen bringt die Ware jeden Morgen frisch in die Kühlschränke.
«Wir merkten schnell, dass wir für unsere Bedürfnisse ein ganz eigenes IT-Programm aufbauen müssen», sagt Steiner. Heute hängen in den Büros überall Flatscreens, die ganz genau angeben wie voll welcher der über 100 derzeit in Schweizer Unternehmen platzierten Kühlschränke ist und was fehlt oder aufgefüllt werden muss. Das Programm interagiert via Mobile Website mit den über 15000 Benutzern und hilft so auch den Food Scouts bei der Suche nach neuen Gerichten. «Unser Kühlschrank hat für jeden Geschmack und für jedes Portemonnaie etwas Passendes», sagt Daniela Steiner. So werden Veganer genauso berücksichtigt wie Carnivoren, über eine Spezialaktion mit Rohkost genauso informiert wie einer mit Bouef Stroganov.
Kennengelernt haben sich die Steiners natürlich über das Food Business. Sie war die Gründerin von Heylife, einem Anbieter von frisch gepressten Säften und Emanuel hatte gerade Felfel gegründet. Gefunkt hat es mehr oder minder sofort und nach der Hochzeit wechselte Daniela zu Felfel. «Wir sind komplementär», sagt sie und strahlt ihren Mann an, «er schaut für das grosse Ganze, ich bin die Detailversessene». Perfektionisten sind wohl beide. Nichts wird bei Felfel dem Zufall überlassen.
Digitaler Foodtech anstatt Kantine: Video-Portrait
Schon gar nicht die Auswahl des Essens. Drei Foodscouts sind tagaus tagein damit beschäftigt neue Gerichte zu finden, die besten Produkte der besten Anbieter zu sichten und auf ihre Felfel-Tauglichkeit hin zu prüfen. Die Fertiggerichte stammen ausschliesslich aus Kleinküchen von Familienbetrieben und die Rezepte von Köchen. Zulieferer sind neben Biolabels auch Caterer wie zum Beispiel «Paul und Lulu» aus der Küche von Franzoli. Italienische Pasta gibt’s von Giovanni und Palestine Grill liefert seit Jahren orientalische Spezialitäten. Aber auch eigens kreierte Rezepte werden nach Wunsch und nach den Felefel-Kriterien umgesetzt. Diese sind streng: alles soll möglichst frisch, naturbelassen, Konservierungsstoffe- und Chemikalien-frei sein. Mit Hilfe der von der Namak-Software gesammelten Daten wird das Angebot laufend angepasst und, was den Steiners besonders wichtig ist, Foodwaste vermieden. Ausgeliefert wird die Ware ins hauseigene Logistikzentrum, von wo sie von den Felfel-geschulten Fahrern zu den Betrieben gebracht wird. Für die Fahrt in andere Regionen kooperiert das Unternehmen mit Logistikpartnern aus der ganzen Schweiz.
Finanziert wurde das Startup Felfel zunächst mit Eigenkapital. Inzwischen sind private Investoren aus dem Netzwerk der Inhaber eingestiegen. Und das Unternehmen prosperiert. Die Nachfrage ist so gross, dass täglich ein neuer Felfel gebaut werden muss. Eigens für die Herstellung des Holzschrankes hat die damit beauftragte Zürcher Schreinerei mehrere zusätzliche Schreiner eingestellt. Im Februar eröffnet Felfel das erste Office in Lausanne, schliesslich gibt es noch viel zu tun, wie die Steiners glauben: «Unser Ziel ist, dass in naher Zukunft keiner in der Schweiz mehr unter mittelmässigem Essen am Arbeitsplatz leiden muss». •
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